Die Frage nach den Auswirkungen von Wahlsystemen beschäftigt die politikwissenschaftliche Forschung seit geraumer Zeit. Die Erforschung des Feldes geht auf das bekannte Werk Les partis politiques von Maurice Duverger (1973 [1954]) zurück, in welchem er die These aufstellt, dass Mehrheitswahlsysteme mit Einerwahlkreisen dazu tendieren, Zweiparteiensysteme zu erzeugen. Dieses soziologische Gesetz wurde anschließend durch Raes (1967) Political Consequences of Electoral Laws systematisch untersucht und durch länderübergreifende Daten weiterentwickelt.


Eine Vielzahl von Studien haben seither zu einem enormen Bestand an Literatur über die Auswirkungen von Wahlgesetzen auf der Makroebene, wie beispielsweise auf die Parteienzahl oder die Proportionalität des Wahlsystems, beigetragen (z.B. Lijphart 1994, Taagepera & Shugart 1989). Darüber hinaus wurden auch die Effekte des Wahlsystems auf der Mikroebene – wie beispielsweise auf das Verhalten von Wählern, Kandidaten, Parteivorsitzenden etc. – von einer Vielzahl von Politikwissenschaftlern analysiert (z.B. Cox 1997).


Auch wenn die Forschung zu den Konsequenzen von Wahlsystemen eine bedeutsame Entwicklung genommen hat, so tun sich bei Betrachtung der klassischen wie auch der aktuellen Literatur zu diesen Konsequenzen nach wie vor methodische Probleme auf. Zunächst stellt Endogenität eine der größten Herausforderungen in der Wahlsystemforschung dar - die Kausalrichtung zwischen Wahlsystemen und ihren Effekten ist bisher noch ungeklärt. Des Weiteren ist es, auf Grund der Schwierigkeit für alle relevanten Einflussfaktoren zu kontrollieren, grundsätzlich problematisch, die Effekte politischer Institutionen international vergleichend, in Längs- oder Querschnittanalysen zu untersuchen. Ein drittes Problem kann im „omitted variable bias“ gesehen werden. Und, nicht zuletzt hat es sich als schwierig erwiesen, ein Modell zu spezifizieren, welches in der Lage ist, Zeittrends adäquat zu berücksichtigten.


Unser Projekt trägt dazu bei, Lösungen für diese Herausforderungen zu entwickeln, indem wir nicht die Effekte von Wahlsystemen per se, sondern die Konsequenzen ihrer Veränderungen analysieren. Wenn die Forschung empirische politische Konsequenzen von Wahlsystemen feststellt, so müssen sich diese Effekte gerade in Folge des Wandels von Wahlsystemen beobachten lassen. Vor diesem Hintergrund, ist es Ziel dieses Projektes, zu untersuchen, wie sich der Wandel von Wahlsystemen auf drei politische relevanten Dimensionen auswirkt: i) die Größe und Zusammensetzung der Parteiensysteme; ii) die politische Repräsentation und iii) die Demokratiequalität.


Dabei wird sich das Projekt nicht nur mit den Dynamiken auf der nationalstaatlichen Ebene befassen, sondern darüber hinaus ebenfalls die subnationale und individuelle Ebene in die Analyse miteinbeziehen. Aus diesem Grund ist ein zentraler Aspekt des Projekts, Daten in etablierten Demokratien bezüglich politischer Institutionen und deren Effekte auf der nationalen, der Wahlkreis- sowie der Individualebene zu erheben. Basierend auf dieser Datengrundlage können dann systematische, quantitativ-vergleichende Analysen durchgeführt werden, um die Gültigkeit zentraler Grundannahmen der Wahlforschung zu überprüfen. Darüber hinaus liefert das Projekt Antworten auf die politiktheoretisch wie auch für die Praxis relevante Frage, in welchem Maße politische Institutionen das Handeln politischer Akteure tatsächlich strukturieren.